US Politik

Vielleicht sollte man das nicht so kurzfristig denken, wie im letzten Jahrhundert oft geschehen.

Im Iran hat man 1953 für Öl den relativ gemäßigten Mossadegh weggeputscht und das hat sich dann 26 Jahre später in der radikalislamischen Revolution entladen, die bis heute das Land prägt.

Die christlichen Fundamentalisten, die man 2019 in Bolivien unterstützt hat, haben sich kein Jahr an der Regierung gehalten, weil - oh Wunder - das Land zum Großteil aus Indigenen und Kleinbauern besteht, die natürlich auch beim nächsten Mal wieder für die Partei der Indigenen und Kleinbauern von Morales stimmen. :man_shrugging:

Venezuela sollte man vielleicht einfach mal in Ruhe lassen und die Embargos aufheben. Aber danach sieht es ja derzeit aus, weil die Welt Öl braucht.

Wenn man denkt (wie im Fall Mossadegh), dass man einfach britisches Land und Eigentum im Iran beschlagnahmen kann, was für die Briten extrem wertvoll war, ohne dass die sie und ihre Verbündeten irgendwas dagegen tun würden (nämlich in dem zwei Jahre dauernden power struggle zwischen dem Shah/Zahedi und Mossadegh die Shah Seite unterstützen), muss man wohl ein ziemlicher Idiot sein.
Und als ob irgendjemand politische Ereignisse in 26 Jahren verlässlich vorhersagen können, wir können ja nicht einmal sagen, wer in 5 Jahren in Deutschland Regierungspartei und Kanzler sein wird.

Und wenn man irgendwas aus dem Ukrainekrieg lernen sollte, dann ist es ja wohl, dass die Idee, wonach man Diktaturen und ihre totalitären Ideologien „einfach mal in Ruhe lassen und die Embargos aufheben“ sollte, sich zwar auf den ersten Blick ganz bequem anhört, aber zu Hunger, Leid, Krieg und Tod führt. Also nein, man sollte Venezuela, China und andere totalitäre Staaten, die nicht den kleinen Scheiß auf Menschenrechte und Demokratie geben, nicht einfach mal in Ruhe lassen. Besonders dann nicht, wenn sie seit Jahrzehnten ihr Land und die Menschen darin zugrunde richten (Venezuela) oder ihre imperialistischen Ambitionen pflegen (China, Russland). Der Versuch sich herauszuhalten und einfach lieber nichts zu tun, endete bei Chamberlain in WW2, in Afghanistan mit der Wiederherstellung der Talibanherrschaft into Großteil der Bevölkerung könnte verhungern und mit dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Manchmal ist Intervention besser und man muss kleinere Übel begehen, um größere zu verhindern.

Als ob es bei den Umstürzen um Menschenrechte und Demokratie gehen würde. In Chile oder Nicaragua haben die damals gar keine Rolle gespielt.

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Das ist jetzt aber kein grundlegendes Argument gegen Umstürze, oder? Insb., wenn es bessere Motive als blanke Machtpolitik geht.
Und nein, ich denke nicht, dass Interventionen jemals frei von Macht- und Interessenpolitik sind. Aber sie können stärker oder schwächer durch humanitäre Überlegungen gestützt werden.

Würde mich nicht wundern wenn Putin jetzt einen auf nuklearer Kooperation mit Iran macht (nachdem sie ja vmtl auch Drohnen vom Iran bestellen)

Ich verstehe sehr gut, dass man im Westen nicht auf die Gewinne aus dem (quasi-)Kolonialismus verzichten wollte. Das ist ja genau das Problem. In so vielen Ländern…

Wir hatten die Diskussion letztens schon mal.
Die Taliban sind wahrscheinlich nicht super in Verwaltung, aber 2/3 des afghanischen Staatshaushalts wurde vom Westen bezahlt und war über Nacht weg. Selbst Hilfsorganisationen müssen sich jetzt mit Sanktionen rumschlagen. Wenn man „hier“ wollte, könnte man den Leuten dort sicher helfen.

Also zumindest Venezuela hat glaub ich wenig Interesse, irgendein Nachbarland anzugreifen.
Ist bestimmt nicht toll da und auch keine Demokratie. Aber wenn man mal ehrlich ist, ist es in den meisten Ländern nicht sonderlich toll oder demokratisch.
Auffällig oft interessieren uns die Länder, die a) Rohstoffe haben und b) westliche Firmen da nicht wirklich ranlassen.

Jetzt gerade bricht Sri Lanka zusammen. Da müsste man nicht mal Militär schicken oder groß rumputschen. Wahrscheinlich müsste nur irgendjemand die Auslandsschulden zahlen oder abschreiben.
Ich hab’s jetzt nicht nachgeguckt, aber vermute mal, dass es da nicht groß was von Wert gibt.

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Sich bei Sri Lanka reinzuhängen ist der beste Weg, um China auf den Plan zu rufen. Und wozu auch, es braucht da ja keinen Putsch, das passiert ja gerade von innen heraus.

War nur ein aktuelles Beispiel.
Sri Lanka ist/war auch ein autoritäres Regime. Den Großteil von Afrika müsste man wohl so bezeichnen. Es geht Menschen nicht nur in den Ländern schlecht, in denen Leute wie Bolton gern rumputschen würden.

Nur sind die allermeisten wirtschaftlich entweder uninteressant oder man kann mit den Regimen auch so gute Geschäfte machen. Hat uns ja in Russland auch lange nicht wirklich gestört.

In Bolivien hat man z.B. Morales 10-15 Jahre in Ruhe gelassen (und er hat das Land auch ziemlich nach vorne gebracht). Aber dann wollte er das Lithium im Land selbst abbauen und kein Jahr später war er abgesetzt und irgendwelche christlichen Fundamentalisten an der Macht.

Am Ende wirst du genau dort eine vernünftige Demokratie aufbauen können, wo eine demokratietragende Bevölkerungsmehrheit wirtschaftliche Teilhabe hat. Und dazu kann eben nicht alles von Wert ausländischen Unternehmen gehören. :man_shrugging:

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Aber zu sagen: „In dem und dem Land wäre ein Putsch ja auch was!“ delegitimiert ja noch nicht automatisch die Putsche, die stattfinden? Das wäre ja eine Argumentation wie: „Wozu der Oma hier über die Straße helfen, wenn du anderen Omas schonmal nicht geholfen hast“?

Aber war das ein Putsch? Oder haben einfach finanzstarke Gruppen/Konzerne Einfluss ausgeübt?

Sich in die inneren Belange anderer Länder einzumischen, ist erstmal grundsätzlich nicht legitim. Die Bringschuld liegt also gar nicht bei mir.

Wenn man sich dann doch einmischt und das mit Menschenrechten etc. rechtfertigt, sollte man das zumindest glaubwürdig und konsequent für alle Länder anwenden (nicht nur die mit Öl).

Schwer zu beweisen. Müssen wir vielleicht das nächste Interview von Herrn Bolton abwarten.

Die Kandidatur Morales’ stand verfassungstechnisch schon auf sehr wakeligen Füßen, aber die Leute mögen ihn.

Ausschlaggebend waren letztlich Wahlbeobachter der OAS und die hat schon seit jeher die Rechtfertigung für die Einmischung der USA in Süd- und Mittelamerika geliefert.

Kein Jahr später hat Morales’ Partei die nächsten Wahl (ohne ihn) haushoch gewonnne und zwei US-Unis haben nachgewiesen, dass die Manipulationsvorwürfe haltlos waren.

Sehe ich nicht so und halte ich für eine sehr fatale Argumentation, mit der du jede Art ethischen Handelns von vorne herein delegitimierst: Kalt duschen kann man lassen, weil man trotzdem noch Licht im Bad angemacht hat. Oder vorher schon mal warm geduscht hat, und das hinterher ggf. auch mal wieder tut.

Wieder die komplett falsche Bringschuld.

Es ist erstmal komplett unethisch und illegitim, sich in die inneren Belange anderer Länder einzumischen.

Du bringst zwei Argumente:

  • Ganz oder gar nicht
  • Es ist komplett unethisch, sich in die inneren Belange anderer Länder einzumischen

Beidem stimme ich nicht zu. Beim ersten Punkt habe ich’s dargelegt. Beim zweiten verweise ich illustrativ auf das internationale Völkerstrafrecht („Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ usw.).

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:point_up:

Ich sagte, man muss die Menschenrechtsargumentation glaubwürdig und konsequent vertreten, nicht „ganz oder gar nicht“.
Dazu müsste irgendwo eine klare Linie erkennbar sein.

Ich kann z.B. nicht in Land X eingreifen, weil die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und gleichzeitig mit Land Y, das vergleichbar oder schlimmer agiert, super zusammenarbeiten.

Natürlich haben die eine Rolle gespielt, weil es dabei primär darum ging, dem riesigen menschenverachtenden und totalitären Regime der Sowjetunion entgegenzutreten und deren Einfluss nicht noch weiter auszuweiten. Das ist ja gerade mein Punkt, man nimmt ein kleineres Übel in Kauf, um ein viel größeres zu verhindern.
Man versucht eine Regierung zu stürzen, damit der gigantische Gulagstaat, der die politische Opposition erschießt oder ins sibirische Arbeitslager schickt, seinen Einfluss nicht weiter ausdehnen kann. Guess what, die Sowjetunion hat in allen möglichen Ländern kommunistische Partein unterstützt, sollte man denen wirklich das Feld überlassen? Wenn man das Böse bekämpft, muss man sich leider ebenfalls die Hände schmutzig machen. Dachau wurde von Soldaten befreit, nicht von Pazifisten.

Es bringt auch nichts hier eine Nebelkerze nach der anderen zu zünden, was euer reddit left wing history „Wissen“ angeht.
Kaum setzt man sich da mit dem Iran und Venezuela-Beispiel in die Nesseln, ist man auf einmal bei Bolivien, Sri Lanka und Nicaragua.
Da steckt echt bei so vielen Linken noch dieser verstaubte Antiamerikanismus in den Knochen bei so vielen Dingen, ohne dass auch nur ein Hauch von Bewusstsein und Perspektive dafür vorhanden ist, dass es kein Land gibt, was in den letzten 120 Jahren mehr für Demokratie und Menschenrechte getan hätte als die USA dies getan hat.

und inwieweit es legitim ist, sich in die „inneren Belange“ eines anderen Landes einzugreifen, ist ein gigantisches „kommt drauf an“

„Ich kann z.B. nicht in Land X eingreifen, weil die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und gleichzeitig mit Land Y, das vergleichbar oder schlimmer agiert, super zusammenarbeiten.“

Und da gibt es eben verschiedene Stufen und shades of grey. Saudi-Arabien ist nicht geil, aber es ist im Vergleich zum Iran deutlich besser, weshalb man dann im Zweifelsfall lieber mit Saudi-Arabien gegen den Iran arbeitet. Und auch dort hat ja z.B. die Ermordung von Khashoggi zu diplomatischen Verwerfungen geführt (berechtigterweise).
Außenpolitik ist kompliziert, aber so eine „man sollte nie eingreifen“ oder ein ironisches „wenn dann müsste man ja ÜBERALL was machen“ ist einfach intellektuelle Bequemlichkeit und letztlich einfach ein Eingeständnis, dass man sich mit der Komplexität von internationalen Beziehungen nicht näher beschäftigen, aber trotzdem mit moralischer Selbstüberzeugung eine Meinung vertreten möchte.

Sehe ich wohl ähnlich, hab das aber noch nie genau abgewogen.
Aber wenn man die Grenze bei Saudi Arabien zieht, gibt’s in Süd- und Mittelamerika nicht wirklich was zu tun.

Die USA und Venezuela haben sich eigentlich immer relativ gut verstanden, auch in den ersten Chavez Jahren unter Bill Clinton noch.
Aber 2002 gab es einen Militärputsch gegen Chavez und der saß eigentlich schon abgesetzt im Gefängnis, bis Millionen Venezuelaner auf der Straße protestiert haben.
Darauf das Militär: „Oops, sorry“ und Rolle rückwärts.

Das warum wurde nie so richtig aufgeklärt. Vielleicht auch, weil der Putschführer entkommen konnte - ins Exil nach Miami. Vielleicht sollte mal jemand John Bolton fragen, der war zu der Zeit hohes Tier in der Bushregierung und die USA haben ja meist gute Geheimdienste.

Vorsichtig gesagt war die Episode den Beziehungen zwischen Venezuela und den USA - aber auch der Stabilität des Landes - nicht gerade zuträglich. Seitdem (also so knapp 20 Jahre) ist Venezuela ein Unrechtsstaat und unter Embargo.

Also Chile und Nicaragua sind ziemlich weit weg von der Sowjetunion.

In Chile (eigentlich überall in Südamerika) gab’s eine instabile Gesellschaftsstruktur aus der Kolonialzeit mit oligarchischen Großbauern an der Spitze. Wenn dann frei gewählt wird und irgendwann (unweigerlich) die große Mehrheit derer, die nichts haben, gewinnt, kommen natürlich irgendwelche Umverteilungsideen auf.

In Nicaragua waren die Zustände und Reformpläne ähnlich. Aber da hat man einen Bürgerkrieg gegen den Diktator und keine Wahl gewonnen.

Das sieht natürlich nach Kommunismus aus. Wenn’s in deiner Gesellschaft zugeht wie in Russland 1917 kommen die Ideen aber vielleicht auch von allein. Die Sowjetunion hatte jedenfalls relativ wenig damit zutun.

Glaub das Beste, was man gegen Kommunismus tun kann, ist das Vermögen zumindest soweit zu verteilen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen den Kommunismus ist.

Keine Ahnung woher du weißt wie ich meine Meinung gebildet habe. Auf reddit verkehre ich im Normalfall nicht. Und keine Ahnung was du mit Nebelkerzen meinst, dachte eigentlich das sind historische Fakten. Muss mich wohl bei reddit verlesen haben.

Woraus schließt du, dass ich Pazifist bin und woraus schließt du, dass ich die Befreiung der Amerikaner schlecht finde? Oder soll das eine Geschichtslektion sein, damit ich mein reddit Wissen aufbessern kann?

Mein Punkt ist, dass die Menschenrechte dem Westen nur wichtig sind wenn sie gegen den politischen Gegner eingesetzt werden könne. Geht es um die eigene Belange, interessieren diese nicht die Bohne. Siehe die Flüchktlingsabkommen mit Libyen oder Türkei, siehe generell wie mit Flüchtlingen im Mittelmeer umgegangen wird, siehe den Gasdeal mit Katar usw.

Aber wahrscheinlich ist das für dich auch nur Whataboutism den ich aus einem linken reddit thread habe.

Also nimms mir nicht böse, aber wenn du weiter über Geschichte mit mir diskutieren willst, lies dich mal nen bisschen vorher ein. Sätze wie „Chile und Nicaragua sind ziemlich weit weg von der Sowjetunion“ sind jedenfalls großer Unsinn.
Die Sowjetunion hat sowohl Allende als auch Sadinistas unterstützt, mit dem klaren Ziel, diese Regierungen an der Macht zu halten und den Einflussbereich gegen die USA zu vergrößern.
Hier, damit kannst du ja mal so grob anfangen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Nicaragua–Russia_relationsv

" The USSR developed great relations with the Sandinistas after the overthrow of the Somoza family. During the 1980s, the Soviet Union provided full political, economic, military, and diplomatic support to the left wing government of Nicaragua. This was not only a reaction to the Contra resistance movement but a full-fledged alliance with Soviet Union, which provided free credit, economic subsidies and heavy weapon grants. The Nicaraguans got at no cost armaments such as heavily armed MI-24 attack helicopters (Hinds), and Mi-17 transport helicopters"

edit: Und sorry @Leo_Jogiches Ist natürlich nicht nur an dich gerichtet gewesen, nicht persönlich nehmen :slight_smile:

Hmm… aha… soso… interessant…

Da waren die ja beide schon an der Macht. Die einen demokratisch gewählt und die anderen weil sie einen brutalen Diktator gestürzt hatten.

Warum brauchten die dann noch die ganzen Waffen?
:face_with_monocle:

Auch historische Fakten können Nebelkerzen sein. Ich will jetzt nicht gleichsetzen, aber wenn dir ein Rechtsschwurbler mit einer ganzen Lawine an „Fakten“ kommt, mit der er sich vorher auf auf einem Randomverschwörungs-Blog munitioniert hat, sind das auch Nebelkerzen. Fakten, aber einseitig und unreflektiert übernommen, und nur dafür da, um entweder annekdotische Beweisführung zu liefern, oder um den Gegner direkt zu überfahren. „Chile und Nicaragua und Ende“ fühlen sich halt auch so an.

Davon ab vermute ich, dass Alex sich vor allem gegen Bolo richtet. Seine Darstellung von Venezuelas Niedergang ist haarsträubend einseitig, zumindest wenn ich das mit den Geschichten von Venezulanern vergleiche, mit denen ich mich unterhalten habe. Sowas fühlt sich schon hart nach „Ich hab mir das irgendwo im Internet servieren lassen, um’s bei nächster Gelegenheit in einer Diskussion wieder auszukotzen“ an. Das kann schon frustrierend sein.