Moin zusammen,
mich beschäftigt schon seit Jahren ein Problem, welches mir durch die Messerattacke in Mannheim nun erneut vermehrt Kopfschmerzen bereitet. Es geht um die politische Diskussionskultur in Deutschland. In den letzten ~10 Jahren kann man eine Verrohung und Verhärtung der Diskussionskultur beobachten. Ich möchte vorher ein paar Informationen zu mir liefern:
Ich würde mich politisch, wenn ich mich verorten müsste, als mittelinksliberal (das liberal bezieht sich hauptsächlich auf bürgerlich liberal) bezeichnen. Das stellt mich in Diskussionen häufig vor Probleme, da ich mich keinem „Lager“ wirklich zugehörig fühle. Meinen politisch informierten Freundeskreis würde ich größtenteils als links/grün bezeichnen, aber es sind auch vereinzelt sehr konservative Menschen dabei. Mit Menschen aus dem rechten Milieu habe ich z.B. keine tieferen Berührungspunkte. Dennoch kann ich mich in die Problemlagen und Ansichten der rechten Anhänger hineinversetzen, sehe die von ihnen genannten Probleme, verstehe sie, würde sie aber anders lösen. Durch meinen Job als Lehrer (unter anderem für Politik) an einer Berufsschule bekomme ich sehr viel Einblick in die etwas „einfacheren“ Sichtweisen vieler Menschen, die doch sehr häufig rechts orientiert sind.
Ich möchte hier als Beispiel gerne das Thema „Migrationspolitik“ verwenden. In Diskussionen außerhalb meines Berufs passiert es sehr schnell, dass man in eine Ecke gestellt wird, sobald man eine bestimmte Position vertritt. Es geht dann im Endeffekt nicht mehr um die Wahrheitsfindung oder eine Diskussion mit offenem Ende, sondern um die Verteidigung des eigenen Standpunkts. Das kann man auch hier auf RJ ganz gut beobachten.
Wenn ich beispielsweise im öffentlichen Raum außerhalb meiner Bubble, wie z.B. auf Imageboards, sage, dass Deutschland gezielte qualifizierte Migration braucht, werde ich von den „Rechten“ in die linke/woke (ich mag den Begriff eigentlich nicht) Ecke gedrängt, in der ich mich selbst nicht verorten würde. Argumentiere ich hingegen wieder für eine kritische und gezielte Auseinandersetzung mit dem politischen Islam/politischer Religion und für EU-finanzierte Aufnahmezentren außerhalb der EU oder eben gegen eine gescheiterte Migrationspolitik, geschieht gleiches von linker Seite. Argumentative „Fakten“ sind beiden Seiten meist egal, da es lediglich um die „Gesinnung“ geht, die man dem Diskutierenden gerne zuordnen möchte und daran auch die Validität seiner Fakten misst.
Während in gebildeteren Kreisen Fakten hingenommen werden und mit einem zähneknirschenden Schweigen oder der Floskel „das sehe ich trotzdem anders“ „akzeptiert“ werden (was übrigens auch schon ein Problem ist), sind die meisten ungebildeteren Menschen häufig völlig unempfänglich für Fakten und verlassen sich lieber gerne auf ihre gefühlte Realität oder dubiose Nachrichtenquellen, die leicht entlarvt werden können. Was wiederum nichts bringt, da sie dann schon mit der nächsten Bullshitquelle um die Ecke kommen. Um all diese Quellen zu „entlarven“, hat man meistens entweder nicht die Zeit oder die Muße. Es manifestiert sich immer mehr ein Schwarz-Weiß-Denken und die Meinungen der Mitte werden an die Ränder gedrängt.
Ich stehe mittlerweile vor dem Problem, dass ich fernab von meinem Beruf politische Diskussionen meide, selbst wenn Leute groben Unfug erzählen. Ich habe einfach nicht mehr die Lust/Kraft, jeden Quatsch zu entlarven, auf die Befindlichkeiten des Einzelnen einzugehen oder mich dem Konflikt zu stellen, da ich die Erfahrung machen musste, dass es in den meisten Fällen sowieso nichts bringt. Was angesichts meines Berufs eigentlich wirklich ein Armutszeugnis ist.
Alles, was ich geschrieben habe, sind natürlich nur meine persönlichen Erfahrungen und Ansichten und besitzen keine allgemeine Gültigkeit.
Edit: Zwei kleine Anekdoten noch zur von mir beschriebenen Thematik die ich jetzt mal aus dem Kontext reise.
Beispiel 1 mit einem gebildeten Menschen:
crade:
Nunja, es ist leider nicht zu leugnen, dass in der Polizeistatistik bei Straftaten überproportional zum Bevölkerungsanteil Ausländer / Menschen mit Migrationshintergrund vertreten sind. Auch wenn ich die Ansicht nicht teile, kann ich daher schon nachvollziehen, dass viele Polizeibeamte tendenziell eher rechts sind, wenn sie immer nur mit dem kriminellen Teil dieser Bevölkerungsgruppe Kontakt haben und das auch noch, in Proportionalität, häufiger als mit dem „deutschen“ Bevölkerungsteil. Auch wenn ich das absolut nicht gut heiße. → Faktisch korrekt.
Person B:
Mit solchen Aussagen erweist du der AfD aber einen Bärendienst und außerdem muss man auch Straftaten betrachten, die nur von Ausländern begangen werden können wie z.B. Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht.
crade:
Selbst dann haben wir noch immer die gleiche Problematik.
Person B:
Selbst wenn es stimmen sollte, solltest du sowas nicht sagen, das ist nur Zunder für die Rechten.
Beispiel 2:
crade:
Wir brauchen gezielte Zuwanderung. Wir bekommen ohne gezielte Zuwanderung sonst massiv Probleme bezüglich des demografischen Wandels.
Person C:
Was bringt es uns wenn wir Kriminelle importieren? Man sieht ja an Mannheim, was uns 2015 gebracht hat. Kriminalität und Leute die sich nicht integrieren. Wir brauchen keine Migration, wir müssen nur unsere Potentiale in Deutschland besser nutzen und mehr Kinder Kriegen.
crade:
Selbst wenn wir das machen, reicht das bei Weitem nicht aus. Wir sind angewiesen auf Menschen aus dem Ausland. Unsere Potentiale reichen nicht aus. Außerdem spreche ich von gezielter Migration.
Person C:
Das ist so typisch linksgrünversifftes Tagträumertum. Ihr müsst einfach mal verstehen, dass wir uns nur Probleme importieren.
Daher wollte ich euch fragen, ob ihr einen ähnlichen Konflikt mit euch austragt und wie ihr mit diesem umgeht?