Das ist schon lange nicht mehr so. Das System kommt zunehmend ins schleudern. Ohne Input aus China und Nordkorea wäre die Rüstungsindustrie eh schon längst in der Krise.
Wenn mitten im Krieg gegen die Ukraine eine russische Rüstungsfirma in die Pleite rutscht, dann läuft etwas schief in. Das Elektronikunternehmen Optron-Stawropol hat Halbleiterdioden für Kampfflugzeuge und Passagierjets hergestellt. Doch neuerdings sind die Betriebskonten eingefroren, Mitarbeiter der Firma müssen in den Zwangsurlaub gehen, die Produktion steht still. So berichten es verschiedene russische Medien. Die Optron-Manager haben wichtige Teile des Betriebs an der Lenin-Straße in Stawropol heruntergefahren und verwalten einen Schuldenberg.
Die Probleme des Elektronikherstellers haben weniger mit dem Unternehmen als mit dem ökonomischen Zustand des Landes zu tun. [Wladimir Putins] Kriegswirtschaft steckt in der Krise. Nach zweieinhalb Jahren Wachstum wird das Geld knapp – in den Kassen der Zentralregierung und der Regionen sowie im Nationalen Wohlstandsfonds, der Rücklage für Notzeiten. Ende Juni klagte Putin auf einer Pressekonferenz in Minsk sogar darüber, dass die staatlichen Ausgaben immer nur steigen, die Einnahmen aber sinken würden. Das hat unangenehme Folgen für Unternehmen, Soldaten und Bürger.
Die Misere bei Optron-Stawropol ist beispielhaft für die Probleme der russischen Kriegswirtschaft seit 2022. Der Vorstandschef Pawel Bondarenko klagt über „staatlich festgelegte Preise weit unter den Produktionskosten“. Das Verteidigungsministerium verlangt nämlich von den Unternehmen maximalen Warenausstoß zu minimalen Preisen. Wer sich dieser Forderung widersetzt, riskiert, keine Aufträge mehr zu bekommen oder gar sanktioniert zu werden. Optron hat in den vergangenen zwei Jahren seine Dioden zwar pünktlich und in großen Mengen an die Flugzeughersteller geliefert, dabei aber hohe Schulden angehäuft. Das erinnert an das ineffiziente Wirtschaften in der sozialistischen Sowjetunion, als der Staat für alles aufkam. Nun kann das Unternehmen seine Schulden nicht mehr bedienen, die Konten sind gesperrt. Ein unternehmerischer Kollateralschaden in Putins Kriegskapitalismus
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Mit erstaunlicher Offenheit haben russische Politiker und Banker darüber im vergangenen Monat auf dem Wirtschaftsforum St. Petersburg International Economic Forum (Spief) diskutiert. Putins langjähriger Finanzminister Anton Siluanow sprach von einem „ernsten Sturm“ über dem Haushalt. Nach den Angaben des Finanzministeriums sind die Staatseinnahmen aus Öl und Gas wegen niedriger Ölpreise zwischen Januar und Mai um fast 15 Prozent gesunken. Obendrein schrumpft das Mehrwertsteueraufkommen. Deshalb liegt das staatliche Haushaltsdefizit für die ersten fünf Monate dieses Jahres bei umgerechnet 37 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa den noch verfügbaren liquiden Rücklagen des russischen Wohlstandsfonds.
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Nun aber kürzen die ersten Regionen auch bei jenen, die Putin „die lichte Zukunft Russlands“ nennt. Im Gebiet von Samara wurden die Einstiegsprämien für Soldaten um rund 40 Prozent auf etwa 23.000 Euro gekürzt. Im Industriegebiet Nischni Nowgorod und in der Wolga-Republik Baschkortostan wurden die Prämien für neue Vertragssoldaten sogar halbiert. Familienangehörige von Gefallenen berichten ihren Verwandten in Moskau, dass die Behörden die versprochenen Kompensationen nur spät oder gar nicht zahlen würden – mit der fadenscheinigen Begründung, der mutmaßlich gefallene Sohn sei ja nicht tot, nur vermisst.