Ich habe mich von Netflix jetzt doch dazu überreden lassen den Film zu schauen. Er hat mir im Großen und Ganzen nicht gefallen.
Ähnlich wie „Dunkirk“ und „1917“ setzt der Film verstärkt auf eine möglichst subjektive Erfahrung/Perspektive der Kriegshandlungen. Das sorgt für eindrucksvolle und inszenatorisch sehr gut umgesetzte Bilder vom Leid des Krieges. Die Kamera hält schonungslos drauf, wenn Soldaten reihenweise fallen und der Hauptakteur traumatisiert und desorientiert über das Schlachtfeld irrt, oder im Graben mit einem Franzosen liegt. Die Brutalität, Irrisinnigkeit und Zerstörungskraft des Krieges ist allgegenwärtig.
Der metallische Soundtrack (hat mich teils genervt), die Tonqualität, die Kostüme und die Szenerie sind ebenfalls sehr gut und tragen ihren Teil zu einer realistischen und immersiven Erfahrung für den Zuschauer bei. Krieg wurde seit „der Soldat James Ryan“ nicht mehr so eindrücklich inszeniert, insbesondere der massenhafte Verschleiß von Menschen (z.B. auch durch die Eröffnungsszene mit den Uniformen). Die große Schlacht im 2. Teil des Films ist daher auch mit Abstand das Highlight des Films.
Ich habe aber aufgrund der Romanvorlage den Anspruch an eine filmische Umsetzung, dass besonders die fast poetischen Zwischentöne, die subtilen Reflexionen und erlebten Kontraste aufgegriffen und dargestellt werden. Der ganzen oberflächlichen Darstellung von Gewalt, Grausamkeit und Entmenschlichung fehlt im Film die psychologische Tiefe. Natürlich zeigt der Film Leid, Qualen und kleine Freuden der Soldaten. Aber die geballte Zerstörungskraft des Krieges auf allen Ebenen der menschlichen Existenz wird für mich nicht fassbar gemacht. Hier hätte sich der Film von anderen Antikriegsfilmen absetzen können, wenn nicht müssen.
Es fehlen dann besonders die Umsetzungen der Kapitel, in denen Paul u.a seine vollkommene Entfremdung vom gesellschaftlichen Leben, die Sinnlosigkeit der Existenz und seine innere Zerissenheit realisiert:
-In denen er begreift, dass der Krieg ihn für immer zerstört hat und die seelischen Narben eine normale Existenz unmöglich machen werden.
-Es fehlen Momente, in denen Paul den Verlust einer ganzen irrgeleiteten Generation begreift und anklagt.
-Es fehlt der Kontrast zur deutschen Gesellschaft, die den Krieg verklärt und dessen Ideale, Werte und Normen Paul ebenso wenig noch begreift, wie die schönen und einfachen Momente des Lebens.
-Es fehlt die Darstellung des kaiserlichen Militarismus inkl. der Indoktrinierung, aufgrund dessen junge Männer am Fließband verschlissen (kommt m.M.n am Anfang viel zu kurz) und Krieg ermöglicht und verherrlicht wurde. Ebenso die kritische Auseinandersetzung mit diesem, wenn Paul seinem alten Lehrer begegnet.
-Es fehlen Einblicke in die innere Zerissenheit von Paul, der trotz der Entmenschlichung und Sinnlosigkeit des Krieges ein Kind des Systems ist und niemals kapitulieren würde. Wenngleich er sich Frieden wünscht.
Etcetc.
Schade, bei 2.5h Spielfilmlänge wäre deutlich mehr drinnen gewesen als erschütternde martialische Bilder. Das Hollywoodende hätte man sich dann auch sparen können, diese Entscheidung erschließt sich mir nicht. Sicherlich wollte man den sinnlosen Tod von Paul und Kat noch etwas verdeutlichen, aber da finde ich die originale Version deutlich wirksamer.
Was mir allerdings ganz gut gefallen hat, ist die kurze Integration der Friedensverhandlungen inklusive Dolchstoßlegende des Militärs in die Handlung. Das schafft tatsächlich ein bisschen Kontext und verdeutlicht die Dimensionen des Krieges und die Auswirkungen des Militarismus in Deutschland.